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Im Interview: Timo Leukefeld vom Sonnenhausinstitut

  • von Philipp Hermann
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"Die Energiewende betrifft jeden von uns", sagt Timo Leukefeld, Vorstandsmitglied des Sonnenhausinstituts und Honorarprofessor an der BA Glauchau und TU Bergakademie Freiberg. Die Bundesregierung nennt ihn außerdem einen Energiebotschafter. Diese lasse sich durchaus erreichen, wenn intelligente Lösungsansätze richtig umgesetzt werden - und das sowohl im großen als auch im kleinen Rahmen. Im Interview mit heizung.de spricht Leukefeld außerdem über unkluge und intelligente Sektorkopplung, über die Rolle eines Wärmespeichers und darüber, warum die Frage nach der Amortisationsdauer nicht immer sinnvoll ist.  

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Herr Leukefeld: Wie wichtig ist die Energiewende aus Ihrer Sicht?

Timo Leukefeld:  Für mich ist die Energiewende existenziell. Sie hat ganz klar mit dem Klimawandel zu tun. Der hängt wiederum mit der Karbonwirtschaft zusammen. Das heißt, wenn wir unsere Erde für die kommende Generation auch nutzbar lassen wollen, hat die Energiewende eine ganz große Bedeutung. Allerdings kann sie nur wirksam sein, wenn ich sie mit der Rohstoff- und der Ressourcenwende verbinde. Nur diese drei Sachen in Einklang können für eine nachhaltige Belebung dieser Welt sorgen. Wenn man auf der Welt die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft beschlossen hat, dann müsste man parallel dazu eben auch im Bereich der Rohstoffe und Ressourcen mitziehen.

Timo Leukefeld:

"Wenn wir unsere Erde für die kommende Generation auch nutzbar lassen wollen, hat die Energiewende eine ganz große Bedeutung. Allerdings kann sie nur wirksam sein, wenn ich sie mit der Rohstoff- und der Ressourcenwende verbinde." (Bild: © Stefan Mays)

Was müsste aus Ihrer Sicht passieren?

Timo Leukefeld:  Wir brauchen jetzt politische Entscheidungen, und zwar ganz klar in Richtung Dezentralisierung und Energiespeicher. Also nicht im ersten Schritt Stromspeicher, sondern Wärmespeicher. Das ist aus meiner Sicht der Schlüssel für die Energiewende. Sie sind ja viel günstiger in der Investition und haben vier bis fünf Jahrzehnte Lebensdauer ohne Wirkungsgradverlust, was im Strombereich noch ein Traum ist. Die Energiewende ist zu schaffen, wenn man die Weichen richtigstellt und die bisherigen Fehler korrigiert, oder wie ich hoffe, einen Schnitt macht und sagt: "Okay, das ist schiefgegangen. Jetzt lass uns überlegen, was die richtigen Schritte sind, die man machen kann. Das bedeutet, erst über die Effektivität, dann über die Effizienz nachdenken."

Meinen Sie damit die Sektorkopplung?

Timo Leukefeld:  Genau, die  Sektorkopplung. Aber nicht die unkluge Sektorkopplung, wie wir es jetzt wieder vorhaben. Alles, was bisher Wärme war, machen wir jetzt mit Strom.

Was wäre aus Ihrer Sicht eine intelligente Sektorkopplung?

Timo Leukefeld:  Ich würde Ihnen das gerne anhand eines Beispiels erklären: Wenn Sie Ihren Geschirrspüler ans warme Wasser anschließen, das heißt, wenn Sie einem elektrischen Gerät Wärme zuführen, dann braucht es bis zu 80 Prozent weniger Strom. Denn das meiste in einem Geschirrspüler, das Strom verbraucht, ist das Aufheizen des kalten Wassers mit einem Heizstab. Warmes Wasser ist aber fast überall vorrätig und lässt sich viel günstiger als über den Strom aus der Steckdose erzeugen. Ob Sie es mit Gas, Fernwärme oder Holz erzeugen, im Schnitt zahlen Sie dafür etwa fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde. Beim Strom sind es um die 28 Cent.

Wir müssen auch mal die Denkrichtung ändern.

Um zurück zum Thema Energiewende zu kommen: Wir müssen auch mal die Denkrichtung ändern. Nicht jetzt sagen, "Wir haben Unmengen Überschussstrom", das ist de facto nicht der Fall. Vor allem haben wir diese Unmengen nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist ja das Problem. Wir können Strom nicht lange speichern. Wenn wir jetzt sagen, alle Heizungen sollten zu Wärmepumpen und alle Autos elektrisch werden, dann stellen wir vor der nächsten Frage, "Woher kommt der Strom im Winter?" Wir schalten reihenweise Atom- und Kohlekraftwerke ab, wir haben statistisch gesehen vier bis sechs Wochen Windflaute im Jahr und wollen trotzdem eine Million Elektroautos und 20 Millionen Heizungen auf Strom umstellen.

Das ist sozusagen die unkluge Variante der Sektorkopplung. Denn es führt am Ende nur zu einer enormen Preissteigerung im Winter für diese vier bis sechs Wochen. Das zahlen dann wieder die Nutzer via Smart Meter.

Ist Power to Heat der richtige Ansatz an dieser Stelle?

Timo Leukefeld:  Es müssen mehrere Ansätze geben. Ich kann schon Strom zu Wärme umwandeln, wie das bei der Power to Heat der Fall ist. Ich kann natürlich auch Wärmepumpen mit meinem Solarstrom antreiben. Das funktioniert. Die Frage ist aber, was passiert mit dieser Lücke im Winter? Ich rede an dieser Stelle gerne von der saisonalen Illusion. Während die Solaranlage in den warmen Monaten bis zu 80 Prozent Ihres Strombedarfs deckt, benötigt die Wärmepumpe in den kalten Monaten den meisten Strom. Das bedeutet: In den warmen Monaten haben Sie mitunter zu viel Strom produziert, während die Wärmepumpe ihn vor allem im Winter benötigt. Das ist auch eine schlechte Form von Sektorkopplung.

Eine Lösung der Energiewende liegt im Grünermachen des Gases.

Sektorkopplung ist eine Vielzahl von Lösungen. Da kann Power to Gas mit dazugehören, oder Power to Drive. Also der Überschussstrom in die Mobilität. Und als Fernziel ist völlig klar: Wir brauchen eine Möglichkeit, Strom saisonal zu speichern. Wenn wir die Energiewende zum Beispiel mit Sektorkopplung in Richtung 80-90 Prozent  Energieautarkie  schaffen möchten, dann brauchen wir Power to Gas. Das ist in Deutschland die einzige Möglichkeit, Strom in größeren Mengen saisonal zu speichern. Konkret geht es also darum, den Überschussstrom aus Wind, Wasser und Sonne in künstliches Gas umzuwandeln und es in das sehr gut ausgebaute Gasnetz einzuspeisen. Wir haben eines der besten Gasnetze und große Speicher. Außerdem haben wir Technologien, die dieses Gas problemlos nutzen können. Gasautos zum Beispiel. Oder BHKWs und Gasheizungen. Das heißt, eine Lösung der Energiewende liegt im Grünermachen des Gases. Damit ist nicht Biogas gemeint. Da sind wir in puncto Nachhaltigkeit bereits an der Grenze, sondern  Power to Gas.

© heizung.de

Kommen wir nun von der großen Politik zum durchschnittlichen Endverbraucher. Sie plädieren für ein Gesamtkonzept, bestehend aus Strom, Wärmeerzeugung und Mobilität. Was können wir darunter verstehen?

Timo Leukefeld:  Für den Verwender geht es vereinfacht ausgedrückt um die intelligente Eigenversorgung mit Wärme, Strom und Mobilität aus der Sonne. Damit haben wir technisch ja die Sektorkoplung. Das heißt, wenn jemand ein Haus baut, planen wir ein solches energieautarkes Gebäude. In solch einem Gebäude versorgt die Solarthermieanlage den Langzeitwärmespeicher für Heizung und Warmwasserbereitung weitestgehend selbst. Die daneben angebrachte Photovoltaikanlage und die dazugehörigen Batterien versorgen das ganze Haus mit Strom, der natürlich auch für die E-Mobillität einsetzbar ist. Dann haben Sie alles miteinander gekoppelt. Die Wärme, die von der Solarthermie kommt, wird zum Heizen genutzt und geht auch an den Geschirrspüler, an die Waschmaschine und an den Trockner. Damit geht der Stromverbrauch zurück. Auf der anderen Seite haben wir die Photovoltaikanlage, die den nötigen Strom für den Haushalt produziert. Der Überschussstrom lässt sich dann auch zum Tanken eines Elektroautos nutzen. (Anmerkung der Redaktion: Weitere Information dazu finden Sie im Beitrag zur  Ladestation für Elektroautos.)

Was machen Hausbesitzer, die kein Elektroauto haben?

Timo Leukefeld:  Das ist ja die Frage: Wenn Sie sich heute einen elektrischen Kleinwagen kaufen, können Sie in der Regel Ihr altes Auto in Anzahlung geben und auch Fördermittel in Anspruch nehmen. Nach einiger Zeit können Sie das neue Auto nahezu kostenlos fahren. Denn den Strom erzeugen Sie ja selbst. Bei guter Planung kann es sich also durchaus rechnen, auf ein Elektroauto umzusteigen.

Wie hoch sind die Mehrkosten für die Erbauung eines solchen Hauses?

Timo Leukefeld:  Wir reden hier über die Differenzkosten. Ein solches Haus ist in der Regel sehr hochwertig gebaut. Dreifachverglaste Fenster, Ziegelwand, alles Dinge, die sich von einem Billighaus unterscheiden. Interessant sind ja die Mehrkosten. Diese hängen wiederum von der Autarkiequote ab. 50 Prozent Autarkie bei Wärme, Strom und Mobilität sind in der Regel das Minimum, was die Bauherren anstreben. Da fangen Sie bei 35.000 bis 40.000 Euro Mehrkosten an. Egal, welchen Haustyp Sie bauen. Und wenn Sie in Richtung 100 Prozent gehen, dann wird es natürlich teurer. Wir reden hier über Mehrkosten von etwa 90.000 Euro. Ich denke, 40.000 Euro für eine Autarkie von 50 Prozent sind für die meisten Bauherren durchaus finanzierbar.

Und für nicht Häuslebauer?

Timo Leukefeld:  Dieses Modell ist natürlich nur für Leute interessant, die sich ein Haus leisten können. Es gibt daneben auch ein Mietermodell, das für sehr viele Menschen infrage kommt. Hier zahlen die Mieter eine Pauschale für Wohnen, Wärme, Strom sowie Auto und bekommen außerdem eine Festpreisgarantie von zehn Jahren. Sie haben als Mieter keinen Stress, zahlen keine Betriebskostenabrechnungen. Sie müssen nicht fünfmal im Jahr den Strompreis checken. Sie brauchen nicht mehr zur Tankstelle zu fahren. Sie müssen nicht mal ein eigenes Auto besitzen, denn sie können auch mit mehreren Leuten einen Wagen teilen. Für all diese Vorteile müssen sie in der Summe etwas mehr bezahlen, das ist klar. Dass dieses Modell Erfolgspotenzial hat, hat die Stadt Cottbus bereits gezeigt. Die Stadt hat zehn Prozent Leerstand im Wohnungsmarkt. Die niedrigsten Mieten für DDR-Plattenbauten liegen bei circa 3,80 Euro kalt pro Quadratmeter. Und die Anbieter gehen mit 10.50 Euro rein und haben für die 14 Wohnungen, die demnächst vermietet werden, wofür es noch nicht einmal offizielle Werbungen gegeben hat, bereits 50 Bewerbungen vorliegen.

Die meisten Menschen wollen so bleiben, wie sie sind. Sie verhalten sich nun mal nicht DIN-Normgerecht.

Wir müssen aufhören mit dieser alten Denke: VDI 2067, wann amortisiert eine Dämmung, eine Sanierung, eine Solaranlage als Einzelmaßnahme gegenüber dem Energiebezug? Das ist aussichtslos. Wir brauchen neue Geschäftsmodelle, die die Menschen entlasten und nicht nur neue Technologien. Wir zwingen die Menschen fast dazu, sich an neue Techniken zu gewöhnen. Das möchten die meisten aber nicht. Sie wollen so bleiben, wie sie sind. Sie verhalten sich nun mal nicht DIN-Normgerecht.

© robert kneschke / Fotolia

Wie stehen Sie zu sogenannten Solarclouds, also Plattformen, in die Anlagenbetreiber ihren Überschussstrom einspeisen und bei Bedarf von dort Strom beziehen können?

Timo Leukefeld:  Man kann im Moment beides machen. Ich habe mit meinen Stromspeicherbatterien und der PV-Anlage eine grundsolide Versorgung und bin zu einem großen Teil des Jahres nahezu unabhängig. Wenn ich aber Überschussstrom habe, kann ich theoretisch dieser "Stromcloud" beitreten und dort den ganzen Strom einspeisen und im Winter wieder beziehen. Das sind finanziell sehr verlockende Angebote. Das Model ist unterm Strich aber nur bis zu einem gewissen Grad haltbar. Strom lässt sich nun mal nicht saisonal speichern. Wenn jetzt alle PV-Anlagenbesitzer ihren Überschussstrom in den Sommermonaten in die Cloud einspeisen würden, bekommen die Anbieter auch nicht mehr Gewinne, solange wir Power to Gas nicht machen können. Im Winter müssen sie womöglich den Strom teuer zukaufen. Anders ausgedrückt löst sich das Geschäft mit zunehmenden Teilnehmern selbst auf.

Ist es für den kleinen Verbraucher aber nicht günstiger, als die Investition in einen größeren Batteriespeicher?

Timo Leukefeld:  Für den kleinen Verbraucher ist es durchaus ein wirtschaftliches Modell. Wir empfehlen es auch unseren Kunden: Nehmen Sie es mit, solange es funktioniert. Wenn dann aber massenhaft Leute in die Cloud gehen, wird es so nicht mehr funktionieren. Dann haben sie aber immer noch ihre eigene PV-Anlage und den Akku und mindestens 50 Prozent im Jahr eingespart. Das ist wie ein Add-on. Man kann es machen. Solange es noch gut läuft, hat man einen Vorteil davon. Und wenn es nicht mehr gut geht, hat man immer noch die solide eigene Versorgung, unabhängig von irgendeiner Cloud dieser Welt.

Das lohnt sich also nur, wenn ich auch einen Batteriespeicher habe?

Timo Leukefeld:  Sie können natürlich auch ohne einen eigenen  Batteriespeicher  Teil der Cloud sein. Aber die meisten Angebote ranken sich um einen solchen Stromspeicher.

Ohne gleich energieautark sein zu wollen - hätten Sie noch ein paar Tipps für einen energieschonenden Umgang im Alltag?

Timo Leukefeld:  Was ich empfehlen kann, ist ein Elektrofahrrad. Es motiviert ganz viele Menschen dazu, öfter vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen. Ich bin da ein großes Beispiel dafür. Ich war ein fauler Radfahrer und habe mir letztes Jahr ein E-Bike gekauft. Ich bin seitdem so begeistert und lasse oft sogar das E-Auto stehen. Mein anderer Tipp betrifft den Geschirrspüler. Schließen Sie ihn ans warme Wasser an. Da muss man praktisch nur den Schlauch auf Tauglichkeit prüfen und dann anschließen. Auch eine Waschmaschine lässt sich so stromsparend betreiben. Sie brauchen lediglich ein Vorschaltgerät, das gibt es für circa 200 Euro zu kaufen. (Anm. d. Red. Um sicherzugehen und versicherungstechnischen Risiken vorzubeugen, empfiehlt es sich, einen Fachmann mit dem Einbau zu beauftragen).

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen zum Thema energieautarke Gebäude sowie über Timo Leukefeld finden Sie auch auf  www.timoleukefeld.de

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